Was ist Musik Harvey Mandel und die Rehabilitation des Gitarrensolos
American Werewolf
Gitarrero Poesie mit der Axt: Keiner kriegt das besser hin als der US-Gitarrist Harvey Mandel. Mit Canned Heat aber auch solo, wie auf seinem neuen Album „Snake Pit“, spricht er mit seinem Instrument in vielen Zungen. Eine Würdigung
Von Detlef Diederichsen
Von allen Ideen aus der Welt des Punkrock, erweist sich das Dogma, dass Gitarrensolos doof sind, erstaunlicherweise als besonders langlebig. Eigentlich geht ja alles wieder, was seinerzeit auf die schwarze Liste geraten war: lange Haare und Bärte, aufwändige Prog-Inszenierungen, peaciges Songwriting, „Yacht Rock“, ja sogar Fusion mit hypervirtuosen Basssolos. Alle diese Dinge fanden im Hipsteruniversum irgendwie und irgendwann wieder Gnade und erhielten schließlich die Ehrenplätze, die verdienten Senioren zustehen. Nicht so das Rockgitarrensolo. Zumindest nicht in Europa.
In den USA war das zwar anders. In der dortigen Punk-Variante konnten Gitarreros wie Robert Quine (Richard Hell & The Voidoids) oder Curt Kirkwood (Meat Puppets) ihre Virtuosität problemlos ausleben. In der Restauration der Neunzigerjahre erreichte das Jam-Band-Phänomen als eigener alternativer Lebensstil Massenkompatibilität und die meist von Jerry Garcia (Grateful Dead) zuerst erforschten Territorien wurden von Typen wie Trey Anastasio (Phish) und Derek Trucks besiedelt und urbar gemacht. Diese Welt ist jedoch streng separiert von der des Indie- und Postrock, in die auf welche Weise auch immer die europäischen Ideale Einzug gefunden haben: Selbst wenn Bands wie Dirty Projectors oder Grizzly Bear ein „Musicianship“ hochhalten – soliert wird selten und wenn dann nicht auf der Gitarre. Und wenn auf der Gitarre, dann nicht im Rockidiom, sondern irgendwie avantgardistisch, anders. Der Feind, auf den man sich einigen kann, scheint das Eric-Clapton-Solo zu sein. Claptons übelster Move dürfte ja nicht etwa seine Zusammenarbeit mit Phil Collins gewesen sein (und die führte zu verdammt übler Musik). Nachdem er sich im Trio mit Jack Bruce und Ginger Baker als Cream durch die Entgrenzung und permanente Neudefinition des Genres Bluesrock hervorgetan hatte, sodass man erwarten durfte, dass er in Kürze für die weiße Rockmusik das werden würde, was Coltrane für den Jazz war, schwenkte er plötzlich und unerwartet um in eine unerträglich selbstmitleidige Weinerlichkeit.
Fortsetzung in der taz, 7.4.2017
Starring: James Gang, Robert Quine, Television, Meat Puppets, Peter Perrett, Ty Segall…
Gitarrero Poesie mit der Axt: Keiner kriegt das besser hin als der US-Gitarrist Harvey Mandel. Mit Canned Heat aber auch solo, wie auf seinem neuen Album „Snake Pit“, spricht er mit seinem Instrument in vielen Zungen. Eine Würdigung
Von Detlef Diederichsen
Von allen Ideen aus der Welt des Punkrock, erweist sich das Dogma, dass Gitarrensolos doof sind, erstaunlicherweise als besonders langlebig. Eigentlich geht ja alles wieder, was seinerzeit auf die schwarze Liste geraten war: lange Haare und Bärte, aufwändige Prog-Inszenierungen, peaciges Songwriting, „Yacht Rock“, ja sogar Fusion mit hypervirtuosen Basssolos. Alle diese Dinge fanden im Hipsteruniversum irgendwie und irgendwann wieder Gnade und erhielten schließlich die Ehrenplätze, die verdienten Senioren zustehen. Nicht so das Rockgitarrensolo. Zumindest nicht in Europa.
In den USA war das zwar anders. In der dortigen Punk-Variante konnten Gitarreros wie Robert Quine (Richard Hell & The Voidoids) oder Curt Kirkwood (Meat Puppets) ihre Virtuosität problemlos ausleben. In der Restauration der Neunzigerjahre erreichte das Jam-Band-Phänomen als eigener alternativer Lebensstil Massenkompatibilität und die meist von Jerry Garcia (Grateful Dead) zuerst erforschten Territorien wurden von Typen wie Trey Anastasio (Phish) und Derek Trucks besiedelt und urbar gemacht. Diese Welt ist jedoch streng separiert von der des Indie- und Postrock, in die auf welche Weise auch immer die europäischen Ideale Einzug gefunden haben: Selbst wenn Bands wie Dirty Projectors oder Grizzly Bear ein „Musicianship“ hochhalten – soliert wird selten und wenn dann nicht auf der Gitarre. Und wenn auf der Gitarre, dann nicht im Rockidiom, sondern irgendwie avantgardistisch, anders. Der Feind, auf den man sich einigen kann, scheint das Eric-Clapton-Solo zu sein. Claptons übelster Move dürfte ja nicht etwa seine Zusammenarbeit mit Phil Collins gewesen sein (und die führte zu verdammt übler Musik). Nachdem er sich im Trio mit Jack Bruce und Ginger Baker als Cream durch die Entgrenzung und permanente Neudefinition des Genres Bluesrock hervorgetan hatte, sodass man erwarten durfte, dass er in Kürze für die weiße Rockmusik das werden würde, was Coltrane für den Jazz war, schwenkte er plötzlich und unerwartet um in eine unerträglich selbstmitleidige Weinerlichkeit.
Fortsetzung in der taz, 7.4.2017
Starring: James Gang, Robert Quine, Television, Meat Puppets, Peter Perrett, Ty Segall…
Weitere Ausgaben von Was ist Musik
Playlist
1. |
Harvey Mandel / Snakepit Snakepit / Tompkins Square |
… |
2. |
Tom Verlaine / Boulevard Warm And Cool / Rough Trade |
… |
3. |
Tom Verlaine / Sleepwalkin´ Warm And Cool / Rough Trade |
… |
4. |
Robert Quine & Fred Maher / ´65 Basic / EG |
… |
5. |
Meat Puppets / Touchdown King Monsters / SST |
… |
6. |
Harvey Mandel / Space Monkees Snakepit / Tompkins Square |
… |
7. |
Harvey Mandel / Before Six Snakepit / Tompkins Square |
… |
8. |
James Gang / Funk 49 Funk 49 / WEA |
… |
9. |
Ty Segall / Break A guitar Ty Segall / Drag City |
… |
10. |
Ty Segall / Warm Handle Ty Segall / Drag City |
… |
11. |
Peter Perrett / How The West Was Won How The West Was Won / Domino |
… |
12. |
Arto Lindsay / Unpair Cuidade Madame / Ponderosa |
… |
Kommentare