A Certain Ratio – „It All Comes Down To This“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 22. April 2024

Cover des Albums „It All Comes Down To This“ von A Certain Ratio, das unser ByteFM Album der Woche ist.

A Certain Ratio – „It All Comes Down To This“ (Mute/PIAS)

Im Vergleich zu vielen anderen einflussreichen Acts der Vergangenheit schauen A Certain Ratio nicht gerne zurück. „Das ist alles Bullshit“, sagte Gitarrist und Trompeter Martin Moscrop 2023 in einem Interview. „Wir wollten nie eine Tribute-Band werden, wie so viele unserer Factory-Kolleg*innen.“ Mit dieser Fabrik meint der Brite selbtredend das Label Factory Records, den ultimativen Post-Punk-Tastemaker der späten 70er- und frühen 80er-Jahre. Joy Division waren hier unter Vertrag, genau wie Happy Mondays oder The Durutti Column. Und auch A Certain Ratio gehörten zum legendären Roster dieses Labels.

Es ist nicht so, dass die Gruppe nicht stolz auf das Geleistete sein könnte. A Certain Ratio stachen von Anfang an heraus. Im Vergleich zu ihren tief melancholischen Kollegen Joy Division spielten A Certain Ratio etwas tanzbarere Töne. Bei ihrer Gründung 1977 konzentrierten sie sich auf Grooves, mehr auf Funk als auf Punk. Der Legende nach waren es ihre Live-Shows, die David Byrne zu den ikonischen Art-Funk-Experimenten seiner eigenen Band Talking Heads inspirierte. Doch A Certain Ratio haben sich nie auf ihrer Vergangenheit ausgeruht. Die drei immer noch aktiven Gründungsmitglieder Moscrop, Bassist und Sänger Jez Kerr und Drummer Donald Johnson ließen ihre Band stets in neue Formen mutieren. Gastsängerinnen wurden feste Bandmitglieder, Genregrenzen wurden ausgelotet.

Auf der Stelle treten mit dem Blick nach vorne

Nun, auf ihrem 13. Studioalbum „It All Comes Down To This“, lösen sie sich von einem weiteren Sicherheitsnetz: Es ist die erste A-Certain-Ratio-LP, die ausschließlich von den drei Kernmitgliedern eingespielt wurde. Gemeinsam mit dem umtriebigen Produzenten Dan Carey (seines Zeichens ein Experte für so minimalistische wie effektive Studioarbeit, nachzuhören in seinen Produktionen für Fontaines D.C., Kae Tempest oder Black Country, New Road) legten Moscrop, Kerr und Johnson eine klare Agenda fest: minimale Overdubs, keine Gäste, kein doppelter Boden.

Das Ergebnis ist das messerschärfste ACR-Album seit Jahrzehnten. Der Titeltrack eröffnet „It All Comes Down To This“ noch recht konservativ, mit Motorik-Beat und Indie-Rock-Gitarre – bis zum Ende plötzlich eine Noise-Lawine aus dem Synthesizer hereinbricht. Doch das Trio braucht keine flashy Effekte, um seine Kraft zu entfalten: „Keep It Real“ und „We All Need“ sind zwei Stücke, die mit einem einzelnen, sich nicht wandelnden Groove maximale Wirkung erzeugen.

Apropos Grooves: Die sind auf „It All Comes Down To This“ dominierend. Der Noir-Funk „Bitten By A Lizard“ sticht als Highlight hervor, mit seinem perkussiven Mittelteil. In „Surfer Ticket“ gibt ein heavy Drumcomputer den Rhythmus vor, mit fast schon trip-hopigen Resultaten. Und dann gibt es mit „Out From Under“ noch eine tighte Disko-Exkursion, in der alle drei Mitglieder mit ihren Groove-Muskeln flexen können. Diese einzelnen Elemente sind in ihrer Diskografie nicht neu, doch der Fokus lässt die alten Qualitäten dieser Band neu erstrahlen. Das ist das Paradoxe an „It All Comes Down To This“: Selbst wenn A Certain Ratio auf der Stelle treten, schreiten sie unermüdlich weiter nach vorne.

Veröffentlichung: 19. April 2024
Label: Mute/PIAS

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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