Roky Erickson (The 13th Floor Elevators) in fünf Songs

Foto von Roky Erickson

Roky Erickson (Foto: Ron Baker, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Was wäre die Gitarren-Musik heute ohne The 13th Floor Elevators? Wenige Bands experimentierten in den 60er-Jahren so viel mit Gitarren-Feedback, Hall und Fuzz, mit auditiven und physischen psychedelischen Mitteln wie die Gruppe aus Texas. In kurzer Zeit veröffentlichten sie drei Alben, die maßgeblich die Entwicklung des Psychedelic-Rock beinflussten. Ihr manischer Sound war sowohl Vorbild für ZeitgenossInnen (Big Brother And The Holding Company, ZZ Top) als auch unzählige spätere Acts, von Spacemen 3 und The Jesus And Mary Chain bis zu Queens Of The Stone Age und Primal Scream.

Das Zentrum dieser Band war Roger Kynard „Roky“ Erickson. Der am 15. Juli 1947 in Austin geborene Sänger und Gitarrist war mit der Stimme eines Besessenen gesegnet. Wenn er sang, konnte man die pulsierenden Adern auf der Stirn und weit aufgerissenen Augen förmlich sehen. Doch Erickson war mehr als nur psychedelischer Wahnsinn, in seiner bis 2010 andauernden Solokarriere meisterte er auch Country, Hard-Rock und Power-Pop. Sein Leben war von Exzessen und Rehabilitation gezeichnet, von hohen Aufstiegen und tiefen Stürzen.

Am 31. Mai 2019 starb Roky Erickson in seiner Heimatstadt Austin. Er wurde 71 Jahre alt. Wir haben seine Karriere in fünf Songs porträtiert.

„You‘re Gonna Miss Me“ (1966)

Alles begann mit „You‘re Gonna Miss Me“. Der Song war die Debütsingle von The 13th Floor Elevators, eröffnete ihr erstes Album „The Psychedelic Sounds Of The 13th Floor Elevators“ – und definierte maßgeblich den Sound dessen, was später Psychedelic-Rock genannt werden sollte. Die blubbernden Klänge aus Tommy Halls Jug, der nervös flirrende Beat von John Ike Watson, die sich in seltsamen Bahnen bewegende Lead-Gitarre von Stacy Sutherland – alles an diesem Song klingt wie nicht ganz von dieser Welt. Und über allem schwebt Ericksons hysterischer Gesang, besessener als Mick Jagger, wütender Roger Daltrey. „You‘re Gonna Miss Me“ war ihr einziger Hit und hat bis heute nichts von seiner Dringlichkeit verloren.

„It‘s All Over Now, Baby Blue“ (1967)

Bob Dylan hat in den 60er-Jahren so einiges an psychedelischen Drogen konsumiert, doch das war nicht annähernd so viel wie sich The 13th Floor Elevators einschmissen. Erickson und Co. konsumierten sowohl im Proberaum und auf der Bühne als auch im Studio Unmengen LSD. Das Ziel: Diese psychedelische Erfahrung durch Musik spürbar zu machen. Auf ihrem zweiten Album „Easter Everywhere“ unterzogen sie Dylans Break-up-Klassiker „It‘s All Over Now, Baby Blue“ dieser Behandlung: Auf die im Original sehr minimalistische Struktur (Akustikgitarre plus Stimme) breiteten sie zwei verschlungene, in Hall getränkte Lead-Gitarren aus, die wie undurchdringbarer Rauch an der Decke des Klangraums wabern. Musik gewordenes Hotboxing.

„May The Circle Remain Unbroken“ (1969)

1968 zeigte Ericksons starker Drogenkonsum erste Folgen. Während eines Konzert kam plötzlich nur noch sinnloses Kauderwelsch aus seinem Mund. In einer psychiatrischen Klinik wurde ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert, die mit (gegen seinen Willen durchgeführter) Elektroschock-Therapie behandelt wurde. Wegen seiner gesundheitlichen – und daraus resultierenden juristischen – Probleme verließ Erickson die Band, weshalb deren letztes Album „Bull In The Woods“ größtenteils von den Co-Songwritern Sutherland und Hall verfasst und performt wurde. Eine der wenigen Ausnahmen: das abschließende „May The Circle Remain Unbroken“, ein in seiner Intimität unter die Haut gehendes Stück. Ericksons Stimme ist von Echo und Hall verzerrt und klingt dennoch, als würde sie direkt am Ohr kleben. Von seiner energischen Hysterie ist nichts mehr zu spüren, stattdessen klingt sie zart, etwas verhuscht und vom Leben gezeichnet. Dabei war Erickson gerade einmal 22 Jahre alt.

„I Think Of Demons“ (1981)

Erst 1974 wurde Erickson aus dem Krankenhaus entlassen. Schnell gründete er eine neue Band namens Roky Erickson And The Aliens, mit der er zu Beginn der 80er-Jahre zwei LPs veröffentlichte. Ihr Sound war deutlich direkter als der von The 13th Floor Elevators, mehr an den Sound von Big Star oder Todd Rundgren erinnernd als an psychedelische Exzesse. Songs wie „I Think Of Demons“ sind kristallklare Power-Pop-Songs mit umarmenden Refrains, vermischt mit zarten Jangle-Gitarren. Ericksons Stimme ist immer noch unverkennbar seine, doch sie klingt fokussierter und klarer als früher – verklärt von einem leichten Zittern, das die tiefen Narben ihres Besitzers spürbar macht.

„John Lawman“ (2010)

Bis zu seinem Tod nahm Erickson noch mehr als 14 Alben auf. Sein letztes ist eines seiner besten. Für „True Love Cast Out All Evil“ ließ er sich von seinen texanischen Landsmännern Okkervil River begleiten. Die Chemie stimmt: Auf diesem Album wirkt der damals 63-jährige Erickson so frisch wie lange nicht mehr. In „John Lawman“ lässt er wieder die hysterische Energie seiner Frühtage aufblitzen, während die Band seinen rohen Gesang mit einem mehrstimmigen Feedback-Gewitter umgibt, das an die psychedelischen Gitarrenwände von The 13th Floor Elevators erinnert.

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