„She’s Lost Control“ – sieben hörenswerte Joy-Division-Cover

Fotos der Acts Grace Jones, Die Nerven und Mark Lanegan, die allesamt ein Joy-Division-Cover veröffentlichten

Veröffentlichten Joy-Division-Cover: Grace Jones, Die Nerven, Mark Lanegan (Foto l.: By Bruce Baker, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons, dieses Bild wurde digital nachbearbeitet)

Das musikalische Erfolgsrezept von Joy Division ist eigentlich ein sehr einfaches: Die stoischen Maschinendrums von Stephen Morris. Die angezerrten Bass-Melodien von Peter Hook. Die schlichten, repetitiven Gitarren-Figuren von Bernard Sumner. Rein theoretisch sollte sich diese Formel leicht reproduzieren lassen – wie das seit den frühen Nullerjahren andauernde und wahrscheinlich niemals endende Post-Punk-Revival demonstriert.

Einen Joy-Division-Song zu covern, ist jedoch eine ganz andere Nummer. Mit Ian Curtis, dessen Todestag sich diese Woche zum 40. Mal jährte, hatte die Band einen wahrlich unnachahmbaren Sänger, dessen kehlige, mit menschlicher Verzweiflung gefüllter Stimme zu den distinktivsten Organen der Pop-Geschichte zählt. Wer sich direkt in die Fußstapfen des Briten begeben möchte, muss sich einiges trauen.

Dennoch probierten sich unzählige Acts an der hohen Kunst des Joy-Division-Covers, von Zeitgenossen wie The Cure über Blockbuster-Indie-Pop-Bands wie The Killers bis zu Underground-Weirdos wie Carissa‘s Wierd. Einige von ihnen scheiterten. Einige von ihnen triumphierten, entweder mit Verneigungen in Form von respektvollen Kopien oder mit seltsamen Neuerfindungen, die den unsterblichen Originalen neues Leben einhauchten. Das hier sind sieben hörenswerte Joy-Division-Cover.

Mark Lanegan & Cold Cave – „Isolation“

Grunge-Legende und Ex-Screaming-Trees-Sänger Mark Lanegan verbrachte die letzten Wochen auf Twitter mit gleichermaßen unterhaltsamem wie respektlosem Shittalk gegen Liam Gallagher. Wie es klingt, wenn er Respekt bekundet, zeigt sein erst kürzlich veröffentlichtes Joy-Division-Cover von „Isolation“, ursprünglich erschienen auf „Closer“, dem zweiten und letzten Album der Band. Lanegan, begleitet von der US-amerikanischen Darkwave-Band Cold Cave, lässt den Song so gut wie intakt. Nur seine knurrige Stimme lässt darauf schließen, dass hier andere Menschen am Werk sind. Ein Cover, das zeigt, dass man manchmal gar nichts ändern muss, um gekonnt Tribut zu zollen.

Carissa‘s Wierd – „Isolation“

Es geht aber auch anders. Die US-amerikanische Band Carissa‘s Wierd knüpfte sich 2003 den gleichen Song vor – und verwandelte den pulsierenden Post-Punk in minimalistischen Anti-Folk. Statt Sumners strahlendem Synth-Part erklingen zittrige Gitarren, der peitschende Drumbeat wird auf Bassdrum und Hi-Hat heruntergebrochen. Sängerin Jenn Champion singt Curtis‘ Part mit einem Flüstern. Ihr Cover wirkt so, als würde sie jede Sekunde auseinanderfallen. Eine Atmosphäre, die sich sehr gut mit dem verzweifelten Original ergänzt.

Kings Of Convenience – „The Eternal“

Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe alias Kings Of Convenience sind eigentlich eher für anschmiegsame Folk-Musik bekannt. Dennoch wagten die beiden Norweger sich an eine Interpretation von Joy Divisions „The Eternal“, den tonnenschweren vorletzten Track von „Closer“. Øye und Bøe verwandelten diesen apokalyptischen Slowcore-Song in apokalyptischen Zeitlupen-Folk, in dem ihre eng verschlungenen Gitarrenfiguren von einem ultraträgen Schlagzeug getragen werden. Ihre sonst so freundlichen Stimmen klingen plötzlich melancholisch und verlassen. Trauriger sollten sie nie klingen.

Grace Jones – „She‘s Lost Control“

Mit seiner markanten Bassline ist „She‘s Lost Control“ einer der dringlichsten Joy-Division-Songs. Eine Energie, die schwer zu toppen ist. Grace Jones versuchte das in ihrem 1980er Cover gar nicht erst. Mit der Hilfe der jamaikanischen Reggae-Legenden Sly & Robbie transformierte die New-Wave-Ikone den Song in einen Dub-Albtraum. Robbie Shakespeares Bassline hat nichts mit Hooks aggressivem Spiel zu tun, stattdessen liefert er bedrohlich kriechenden Subbass. Rechts und links ziehen Störgeräusch und Unfallsounds am Ohr vorbei. Um den im Song beschriebenen epileptischen Anfall darzustellen, zieht Jones alle stimmlichen Register. Sie zischt, sie kreischt, sie ächzt lakonisch, sie dehnt das „Controoool“ so lange, bis die Stimme bricht. Ein radikales Joy-Division-Cover, das das Original in eine ganz andere Richtung weiterdenkt.

Radiohead – „Ceremony“

„Ceremony“ ist eigentlich schon in seiner ersten veröffentlichten Version ein Joy-Division-Cover. Es ist einer der letzten Songs, die Curtis vor seinem Selbstmord schrieb. New Order, die kurz danach gegründete Joy-Division-Nachfolgeband, coverte den Song als ihre erste Single. Curtis‘ Schatten ragt hoch über ihre Version, mehr ein Tribut als ein richtiger Song. Radiohead coverten das Stück 2007 in einem Live-Stream, ähnlich originalgetreu wie es auch New Order vor ihnen taten. Thom Yorkes nasale Kopfstimme könnte nicht weiter entfernt von Curtis‘ bedrohlichem Bariton sein und trotzdem bietet sie einen interessanteren Gegenpunkt als Bernard Summers Stimme. Yorke – dessen ekstatisches Bühnengezappel stark an Curtis erinnert – singt den Song auf seine ganz eigene Art und Weise – und erweckt ihn zum ersten Mal richtig zum Leben.

Swans – „Love Will Tear Us Apart“

Swans sind bis heute eine der verlässlichsten Schlechte-Laune-Bands dieses Planeten – von ihren Anfangstagen als No-Wave-Brutalos bis zu ihrer aktuellen Neugeburt als Post-Rock-Giganten. In ihrer mittleren Schaffensphase hatte die New Yorker Band um Michael Gira auch Raum für Zärtlichkeit, wie ihre beiden Cover-Versionen von „Love Will Tear Us Apart“ beweisen. Die erste Version wird von Giras tiefem Gesang getragen, in der zweiten singt Bandmitglied Jarboe. Letztere ist die interessantere Version: Jarboes dunkles Vibrato übersetzt den Song in vernebelte Goth-Folk-Gefilde. Ihre Version ist von einer mystischen Aura durchzogen, verstärkt von Oboen und entfernten Chören. Aus einem hoffnungslosen Break-up-Song wird ein zartes Klagelied.

Die Nerven – „No Love Lost“

Bei all den schwermütigen, melancholischen, chaotischen Interpretationen ist es auch einfach sehr schön, ein Joy-Division-Cover zu hören, das einfach Spaß macht. Die deutsche Post-Punk-Gruppe Die Nerven spielte auf ihrer 2017er Europa-Tour eine herrlich scheppernde Version von „No Love Lost“, einer der ungestümen, frühen Songs von Joy Division. Viel am Original änderten sie nicht. Müssen sie auch nicht.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Zoo
    Mai 30, 2020 Reply

    Das meiste hat mir nicht gefallen. Das eine oder andere war halbwegs ok.

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