Was ist Musik Marvin Gaye

Ausgabe vom 29.03.2009: Marvin Gaye
"I wish Marvin Gaye´s father had shot me instead..."
singen die Chrysanthemums. Zu spät. Es war ein schlechter Aprilscherz. Am 1. April 1984, ein Tag vor seinem 45.Geburtstag erschießt der strenggläubige Prediger Marvin Gay(e) Senior seinen eigenen Sohn. Er kann seinen ausschweifenden Lebensstil nicht mehr ertragen. Zu viele Frauen, zu viele Drogen. Dabei hatte Gaye Jr. gerade ein triumphales Comeback hingelegt. Mit „Sexual Healing“ aktualisiert er seinen Soul um synthetische Attraktionen und gibt den Erotic Elder Statesman für ein nachgewachsenes MTV-Publikum – Gay Sr. ist weniger amüsiert vom sexuellen Heilsversprechen.
Groschenroman, Aprilscherz, Operette, Drama - das Leben des Marvin Gaye hat einiges zu bieten. Eigentlich sieht sich der junge Marvin als Crooner auf den Spuren von Frank Sinatra. Aber seine Hautfarbe und sein gewinnendes Lächeln prädestinieren ihn fürs Fach des jugendlichen Draufgängers in der Produktpalette des Berry Gordy. Der Motown-Patriarch baut Marvin zum Heart-Throb auf, zum Idol der schwarzen Mädchen der frühen Sechziger. Marvin nimmt steinerweichende Fassungen von Jazzstandards auf, seine Version von Paul McCartneys „Yesterday“ bringt Kritiker, Agnostiker und Ungläubige jeder Art zum Weinen und Niederknien, aber zum Star wird er mit unbeschwerten Teenie-Hymnen: „How sweet it is to be loved by you“, „You are my pride and you“…
Eine Spezialität des Ladies´ Man Marvin sind Duette mit den Motown-Ladies. „It takes two“ singt er mit Kim Weston, später sollte es Tina Turner und Rod Stewart gelingen, selbst diesen Song zu ruinieren.
Mit Diana Ross verbindet Marvin Gaye eine herzliche Abneigung, was ihrem Aufstieg zu Motowns Traum-Duett-Paar Anfang der Siebziger nicht im Weg steht. Die überzeugendste Gesangs-Partnerin ist Tammi Terrell. Überzeugend, weil das Drama des richtigen Lebens und die Dramatik der Musik sich gegenseitig überbieten. "Marvin und Tammis Stimmen schlängelten sich umeinander und schufen eine Aura der Erotik, so daß es immer wieder hieß, beide hätten ein Liebesverhältnis..." So ein erotisierter Zeitzeuge. Ein Liebesverhältnis wäre vielleicht keine so gute Idee gewesen. Tammi Terrell war verheiratet. Nicht dass Marvin sich von sowas hätte bremsen lassen, aber Tammis Mann war der Boxer Ernie Terrell, im Kampf um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft nur knapp an Muhammad Ali gescheitert. 1967 bricht Tammi Terrell in Marvin Gayes Armen zusammen - auf der Bühne. Diagnose: Hirntumor. Es folgt eine Serie von Operationen und eine Serie allerwundervollster Songs.
„You´re all I need to get by“, „Ain´t no mountain high enough”, verzweifelte Anrufungen, beschworen wird die heilende Kraft der Liebe: Du bist alles, was ich brauche, kein Berg ist hoch genug, kein Fluß ist breit genug, um mich von dir zu trennen...alle Lieder verhallen, 1970 stirbt Tammi Terrell an ihrem Krebs.
Junge Afroamerikaner sterben in diesen Jahren in großer Zahl beim Kriegseinsatz. Auch Marvins Bruder kämpft in Vietnam. Frankie Gaye überlebt, schwer traumatisiert. Aus den Erfahrungen seines Bruders entwickelt Marvin Gaye das erste Konzeptalbum der Motown-Geschichte. Gegen den erbitterten Widerstand von Firmenboss Berry Gordy, der Politik für Kassengift hält und um jeden Preis am Dreiminuten-Lovesong-Erfolgsmodell festhalten will, komponiert Gaye das Panorama eines zerrütteten Landes, zerrissen von einem sinnlosen Krieg, knietief drin im Inner City Blues. Gaye bedient sich im Jazz und bei der Klassik, dehnt die Songs auf fünf, sechs Minuten. Der strahlende Zwangsoptimismus von Motowns Sound Of Young America der Sechziger ist verflogen. What´s going on?, fragt einer der großen Protagonisten aus dem Musterunternehmen des Black Capitalism. Plötzlich rollt von den Motown-fließbändern eine Platte, die dem Land den Spiegel vorhält, und was darin zu sehen ist gibt keinen Anlass zu Optimismus. Bis heute wird „What´s goin´ on“ als Meisterwerk des politischen Soul gefeiert, auch für seine Signalwirkung. Marvin Gaye hat den Soul bei Motown aus dem Dreiminuten-Hit-Korsett befreit, er hat sich selbst als Autor ermächtigt, neue Themen durchgesetzt. Andere folgen, Stevie Wonder emanzipiert sich vom alternden Kinderstar zur innovationsfreudigen One-Man-Autoren-Band.
Wie´s weitergeht bis in die Gegenwart heute bei Was ist Musik.
Starring:Trus´me, Blaktronics, Massive Attack, Methodman & Mary J.Blige, Nick Drake, Gil Scott-Heron, Jazz Jamaica, Klimek, Fettes Brot, Madonna, Slits, Hot 8 Brass Band...
singen die Chrysanthemums. Zu spät. Es war ein schlechter Aprilscherz. Am 1. April 1984, ein Tag vor seinem 45.Geburtstag erschießt der strenggläubige Prediger Marvin Gay(e) Senior seinen eigenen Sohn. Er kann seinen ausschweifenden Lebensstil nicht mehr ertragen. Zu viele Frauen, zu viele Drogen. Dabei hatte Gaye Jr. gerade ein triumphales Comeback hingelegt. Mit „Sexual Healing“ aktualisiert er seinen Soul um synthetische Attraktionen und gibt den Erotic Elder Statesman für ein nachgewachsenes MTV-Publikum – Gay Sr. ist weniger amüsiert vom sexuellen Heilsversprechen.
Groschenroman, Aprilscherz, Operette, Drama - das Leben des Marvin Gaye hat einiges zu bieten. Eigentlich sieht sich der junge Marvin als Crooner auf den Spuren von Frank Sinatra. Aber seine Hautfarbe und sein gewinnendes Lächeln prädestinieren ihn fürs Fach des jugendlichen Draufgängers in der Produktpalette des Berry Gordy. Der Motown-Patriarch baut Marvin zum Heart-Throb auf, zum Idol der schwarzen Mädchen der frühen Sechziger. Marvin nimmt steinerweichende Fassungen von Jazzstandards auf, seine Version von Paul McCartneys „Yesterday“ bringt Kritiker, Agnostiker und Ungläubige jeder Art zum Weinen und Niederknien, aber zum Star wird er mit unbeschwerten Teenie-Hymnen: „How sweet it is to be loved by you“, „You are my pride and you“…
Eine Spezialität des Ladies´ Man Marvin sind Duette mit den Motown-Ladies. „It takes two“ singt er mit Kim Weston, später sollte es Tina Turner und Rod Stewart gelingen, selbst diesen Song zu ruinieren.
Mit Diana Ross verbindet Marvin Gaye eine herzliche Abneigung, was ihrem Aufstieg zu Motowns Traum-Duett-Paar Anfang der Siebziger nicht im Weg steht. Die überzeugendste Gesangs-Partnerin ist Tammi Terrell. Überzeugend, weil das Drama des richtigen Lebens und die Dramatik der Musik sich gegenseitig überbieten. "Marvin und Tammis Stimmen schlängelten sich umeinander und schufen eine Aura der Erotik, so daß es immer wieder hieß, beide hätten ein Liebesverhältnis..." So ein erotisierter Zeitzeuge. Ein Liebesverhältnis wäre vielleicht keine so gute Idee gewesen. Tammi Terrell war verheiratet. Nicht dass Marvin sich von sowas hätte bremsen lassen, aber Tammis Mann war der Boxer Ernie Terrell, im Kampf um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft nur knapp an Muhammad Ali gescheitert. 1967 bricht Tammi Terrell in Marvin Gayes Armen zusammen - auf der Bühne. Diagnose: Hirntumor. Es folgt eine Serie von Operationen und eine Serie allerwundervollster Songs.
„You´re all I need to get by“, „Ain´t no mountain high enough”, verzweifelte Anrufungen, beschworen wird die heilende Kraft der Liebe: Du bist alles, was ich brauche, kein Berg ist hoch genug, kein Fluß ist breit genug, um mich von dir zu trennen...alle Lieder verhallen, 1970 stirbt Tammi Terrell an ihrem Krebs.
Junge Afroamerikaner sterben in diesen Jahren in großer Zahl beim Kriegseinsatz. Auch Marvins Bruder kämpft in Vietnam. Frankie Gaye überlebt, schwer traumatisiert. Aus den Erfahrungen seines Bruders entwickelt Marvin Gaye das erste Konzeptalbum der Motown-Geschichte. Gegen den erbitterten Widerstand von Firmenboss Berry Gordy, der Politik für Kassengift hält und um jeden Preis am Dreiminuten-Lovesong-Erfolgsmodell festhalten will, komponiert Gaye das Panorama eines zerrütteten Landes, zerrissen von einem sinnlosen Krieg, knietief drin im Inner City Blues. Gaye bedient sich im Jazz und bei der Klassik, dehnt die Songs auf fünf, sechs Minuten. Der strahlende Zwangsoptimismus von Motowns Sound Of Young America der Sechziger ist verflogen. What´s going on?, fragt einer der großen Protagonisten aus dem Musterunternehmen des Black Capitalism. Plötzlich rollt von den Motown-fließbändern eine Platte, die dem Land den Spiegel vorhält, und was darin zu sehen ist gibt keinen Anlass zu Optimismus. Bis heute wird „What´s goin´ on“ als Meisterwerk des politischen Soul gefeiert, auch für seine Signalwirkung. Marvin Gaye hat den Soul bei Motown aus dem Dreiminuten-Hit-Korsett befreit, er hat sich selbst als Autor ermächtigt, neue Themen durchgesetzt. Andere folgen, Stevie Wonder emanzipiert sich vom alternden Kinderstar zur innovationsfreudigen One-Man-Autoren-Band.
Wie´s weitergeht bis in die Gegenwart heute bei Was ist Musik.
Starring:Trus´me, Blaktronics, Massive Attack, Methodman & Mary J.Blige, Nick Drake, Gil Scott-Heron, Jazz Jamaica, Klimek, Fettes Brot, Madonna, Slits, Hot 8 Brass Band...
Weitere Ausgaben von Was ist Musik
Playlist
1. |
Marvin Gaye / The Star Spangled Banner The Master 1961 – 1984 / Motown |
… |
2. |
Marvin Gaye / Distant Lover Let’s get it on / Motown |
… |
3. |
Marvin Gaye / After The Dance (Instrumental) Sound Of The City / Motown |
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4. |
Blaktronics / Open Up Your Heart Mechanized soul / Pharub 002 |
… |
5. |
Marvin Gaye / Baby Don’t You Do It The Master 1961 – 1984 / Motown |
… |
6. |
Fettes Brot / Hörst Du Mich Fettes Brot / Universal |
… |
7. |
Barrett Strong / Money Motown Story / Motown |
… |
8. |
Marvin Gaye / Sexual healing The Master 1961 – 1984 / Motown |
… |
9. |
Hot Brass Band / Sexual healing Rock With The Hot 8 / Tru Thoughts |
… |
11. |
Marvin Gaye / Yesterday Motown meets The Beatles / Motown |
… |
12. |
Marvin Gaye / You Are My Pride And You Motown Story / Motown |
… |
13. |
Marvin Gaye / I’ll Be Doggone Motown Story / Motown |
… |
14. |
Marvin Gaye / Wie Schön Das Ist German nights / Motown |
… |
Stunde 2 : | ||
1. |
Marvin Gaye & Tammi Terrell / Ain’t No Mountain High Enough Motown Story / Motown |
… |
2. |
Diana Ross / Ain’t No Mountain High Enough Diana Ross / Motown |
… |
3. |
Marvin Gaye & Diana Ross / You Are Everything Diana & Marvin / Motown |
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4. |
Mary J. Blige / Everything Share My World / MCA |
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5. |
Method Man & Mary J. Blige / I’ll Be There For You / You’re All I Need To Get By I’ll Be There For You / You’re All I Need To Get By / Def Jam |
… |
6. |
Marvin Gaye & Tammi Terrell / You’re All I Need To Get By Motown Story / Motown |
… |
7. |
The Slits / I Heard It Through The Grapevine Grrrlz / Crippled Dick Hot Wax |
… |
8. |
Gladys Knight & The Pips / I Heard It Through The Grapevine Motown Story / Motown |
… |
9. |
Marvin Gaye / I Heard It Through The Grapevine Motown Story / Motown |
… |
10. |
Jazz Jamaica / I Heard It Through The Grapevine What’s Going On / Hannibal |
… |
11. |
Marvin Gaye / Inner City Blues What’s Going On / Motown |
… |
12. |
Marvin Gaye / What’s Going On What’s Going On / Motown |
… |
Stunde 3 : | ||
1. |
Marvin Gaye / Mercy Mercy Me (The Ecology) What’s Going On / Motown |
… |
2. |
Marvin Gaye / Right On What’s Going On / Motown |
… |
3. |
Gil Scott-Heron / Inner City Blues (Poem: The Siege Of New Orleans) Reflections / Arista |
… |
4. |
Trus’me / W.A.R. Collected Works / Fat City |
… |
7. |
Marvin Gaye / When Did You Stop Loving Me, When Did I Stop Loving You Here My Dear / Motown |
… |
8. |
Marvin Gaye / Anger Here My Dear / Motown |
… |
9. |
Chrysanthemums / I Wish Marvin Gaye’s Father Had Shot Me Instead Is That A Fish On Your Shoulder Or Are You Just Pleased To See Me / Egg Plant |
… |
10. |
Klimek / For Marvin Gaye & Russel Jones Dedication / Anticipate |
… |
11. |
Marvin Gaye / A Funky Space Reincarnation Here My Dear / Motown |
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