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Was ist Musik Black Gegenwart Wochen, Part I.

ByteFM: Was ist Musik vom 15.02.2015

Ausgabe vom 15.02.2015: Black Gegenwart Wochen, Part I.

“Der Black History Month wird in Kanada und in den Vereinigten Staaten alljährlich im Februar gefeiert. Dem Black History Month ging die „Negro History Week“ voraus, die in der zweiten Februarwoche gefeiert wurde. Diese Feierbewegung schwarzer Geschichte in den Vereinigten Staaten wurde 1926 von Dr. Carter G. Woodson initiiert, womit er die breite Öffentlichkeit auf den Beitrag von Afroamerikanern zur Geschichte ihres Landes aufmerksam machen wollte. Woodson wählte den Februar deshalb, weil in diesem Monat Abraham Lincoln, Frederick Douglass und Langston Hughes geboren wurden. Zur Gründungszeit des Black History Month wurde die Geschichte und Traditionen der schwarzen Bevölkerung kaum in Geschichtsbüchern behandelt. Die Darstellung Schwarzer in Geschichtsbüchern beschränkte sich auf ihren niederen sozialen Status. Viele schwarze radikale/nationalistische Gruppen, wie beispielsweise die Nation of Islam, haben den Black History Month kritisiert.“ Sagt Wikipedia.

Also: Black Gegenwart.
“All we wanted was a chance to talk, 'stead we only got outlined in chalk.” Singt D'Angelo auf seinem neuen Album “Black Messiah”.

„I'm African-American, I'm African
I'm black as the heart of a fuckin' Aryan
I'm black as the name of Tyrone and Darius
Excuse my French but fuck you — no, fuck y'all
My hair is nappy, my dick is big, my nose is round and wide
You hate me don't you?
You hate my people, your plan is to terminate my culture
You're fuckin' evil I want you to recognize that I'm a proud monkey.”Rappt Kendrick Lamar auf seinem neuen Hit "The Blacker The Berry".

Bei den Grammys performt Pharrell eine eher unhappy Version von “Happy”, komplett mit schwarzen Hoodies und der „Hands up, don't shoot“-Protestgeste gegen rassistische Polizeigewalt. „The Coin Coin Series is already a major contribution to both the understanding of the history of slavery and contemporary music.” Schreibt das WIRE Magazin über das soeben erschienene dritte Kapitel der Coin Coin-Serie von Matana Roberts. Darauf sampelt Roberts unter anderem eine Rede von Malcolm X.

Am 21. Februar jährt sich die Ermordung von Malcolm X zum fünfzigsten Mal, dazu mehr in Was ist Musik am 22.Februar.Anders als auf ihren Albumcovers, auf denen sie nackt zu sehen sind, posieren Thee Satisfaction zu im Video zu „Recognition“ angezogen. Den ernsten Blick frontal in die Kamera gerichtet wiederholen sie mantraartig: Recognition, Recognition, Recognition, klar, Anerkennung, damn right I am somebody…Nach und nach rücken immer mehr all natural & beautiful black folks ins Bild, alle den ernsten Blick frontal in die Kamera gerichtet, fast alle in Schwarz-Weiß- und Grau-Tönen gekleidet, fast alle mit african konnotierten Accessoires, Ketten, Ohrringe, Mützen, Körpermodifikationen. Gegen Ende schwärmt eine gesampelte Stimme von „supernatural everyday people“, dazu rückt eine Frau mit Häkelmütze ins Bild. Es ist Xenobia Bailey, die 1955 in Seattle geborene Künstlerin ist mit ihren Häkelarbeiten bekannt geworden, viele haben african konnotierte Motive. Xenobia Baileys Häkelmützen kann man aus Spike Lee-Filmen kennen. Oder aus der Werbung, Benneton, Absolut Wodka. Eine ihrer Installationen trägt den Titel: "Mothership 1: Sistah Paradise's Great Walls of Fire Revival Tent". Teile des Recognition-Videos, so steht´s im Abspann, wurden im Sun Ra Arkestra House in Philadelphia gedreht, zu dem Touristen keinen Zugang haben. In puncto Selbstinszenierung rangieren Thee Satisfaction am superioreren Ende auf der Skala der supernatural everyday people, dem entspricht der super sophisticated Sound von „EarthEE“, zu dem auch Me´Shelle N´degeocello beigetragen hat. Die beiden Songs, auf denen N'degeocello hier gefeaturet ist, lösen endlich mal das ewige N'degeocello-Versprechen ein, fast. Immerhin verzichtet sie auf ihre Bassgitarren-Artistik. „Me'Shelle hat uns über Twitter kontaktiert, sie mochte unsere Sachen“ sagt Stasia Irons. „Habt Ihr Gemeinsamkeiten? Afrocentricity? Gender Politics?” „She lives openly queer.“ Afrocentricity, Weltall, Sun Ra, Mothership, Queerness, Science Fiction, Afrofuturismus…wie sich das so organisch, almost natural, verknüpft, fast wie ein Häkelmützchen, da liegt die Frage nah: Sind Afrofuturismus, Afrocentricity und Queerness Luxus-Insignien, Distinktions-Attitudes von Privilegierten? „It's not porn, it's art“, da spricht der Kunstanspruch, aber nicht auch ein Naserümpfen ob der Porn-Connection im massenkompatiblen HipHop? „Ja, die afrocentric HipHop-Acts sind uns wichtig“, sagt Catherine Harris-White, „A Tribe Called Quest, Digable Planets.“ Digable Planets, genau, die Neunziger-Fortsetzung des jazz-affinen, afrozentrischen HipHop-Strangs, den in den Achtzigern neben ATCQ vor allem die Jungle Brothers und De La Soul repräsentiert hatten. Eine Stimme der Digable Planets gehört Ishmael Butler, der heute, als (nicht queer markierte) Stimme von Shabbaz Palaces, „EarthEE“ nobilitiert. Wie definieren Thee Satisfaction Afrofuturismus? Darüber möchten sie nicht mehr reden, sie werden immer damit in Verbindung gebracht und wollen lieber in der Gegenwart leben, sagt Catherine Harris-White. Über Sun Ra schon. Stasia Irons: Auf dem College habe ich „Space is the Place“ gesehen, der Film hat mich umgehauen, hat mir Horizonte eröffnet, outside of the box, da war ich zwanzig.“ „Habt Ihr Sun Ra als schwul oder queer wahrgenommen?“ Catherine: „Ich habe mich alien gefühlt und mich darüber mit ihm identifiziert, wie mit Bowie oder Grace Jones, auch über meine sexuelle alienation. Ich hatte gehört, er habe asexuell gelebt, aber ich muss nicht wissen, mit wem er Sex hatte, das ist seine Sache.“ „Kennt Ihr im Zusammenhang mit Sun Ra den Begriff quAre?“ „Äh, nein.“ In seinem Essay “QuAre Studies, or (Almost) Everything I Know About Queer I Learned from my Grandmother” verwendet der afroamerikanische Queer-Theoretiker J.Patrick Johnson den Begriff so, wie seine Großmutter ihn ausgesprochen hat, mit ihrem breiten Südstaaten-Akzent. Das groß geschriebene A steht für blAck. So soll quAare „in die unmarkiert weiße Fundierung queerer Theorien intervenieren“, schreibt Tim Stüttgen in seinem Buch „In a Qu*A*re Time and Place, Post-Slavery Temporalities, Blaxploitation, and Sun Ra’s Afrofuturism between Intersectionality and Heterogeneity.“ Angesichts der ausgeprägten Homophobie im (afro)amerikanischen Jazz, hatte jede Andeutung von Gay Pride die Überlebenschance eines Schneeballs in der Hölle, so Stüttgen. „Bei Sun Ra, dessen Alien Drag sich radikal der geschlechtlichen und menschlichen Normativität entzieht, verkompliziert sich die QuAreness noch mehr, wenn man seine angebliche Homosexualität mitdenkt.“ Nach seinem Tod 1993 wird öffentlich, dass Sun Ra schwul war, jedoch kaum sexuelle Kontakte hatte. Sein Biograf John Szwed verschweigt diese Tatsache, zitiert jedoch Sun Ras vielsagendes Credo: Sex habe ihn nie interessiert, das einzig Bedeutende auf der Welt sei die Musik, „a full compensation for any handicaps I have.“ Dass der afroamerikanische Visionär des Freien Jazz seine Sexualität als Handicap bezeichnet und Zuflucht im Space sucht, hat mit seiner Herkunft zu tun.

Sun Ra kommt 1914 in Birmingham, Alabama zur Welt, „der vielleicht am schärfsten segregierten Stadt der Erde“, so sein Biograf. Hundert Jahre später wird der Name Sun Ra mehr denn je in queeren – oder quAren – Zusammenhängen gedroppt, er dient als Chiffré, als Geheimcode: (we are) Loving The Alien (Ein Bowie-Song und der Titel des wegweisenden Kongresses an der Volksbühne 1997, über dem der Geist des Sun Ra schwebte). Das Gefühl der Alienation verbindet Thee Satisfaction mit Tim Stüttgen via Sun Ra, bei allen Unterschieden, was Hautfarbe und biologisches Geschlecht angeht. Stüttgens Buch erscheint posthum, er hat sich 2013 das Leben genommen; in englischer Sprache: „Because of my then somewhat confused bisexuality and interest in crossdressing (next to obvious privileges as a white, middle-class boy with German citizenship), I never felt like I really belonged in a movement that seemed very dominated by sexism and homophobia.When I heard about homo-hop and other queer articulations in rap, such as the Deep Dick Collective or Jen-Ro, it seemed that I couldconnect what I learned from a matriarchal, feminist family structure with the impulses of the hip-hop world.” Mehr zu Tim Stüttgens Buch bei nächster Gelegenheit, ich hätte gern gewußt, was er über Thee Satisfaction denkt, und umgekehrt. Beide verhandeln in ihren Arbeiten die Aporien der Rassialisierung, davon zeugt auch Catherine Harris-Whites Antwort auf die Frage nach Obamas Postulat einer post racial society. „Eine interessante Idee, aber je mehr sie überpolitisiert wird, desto schwieriger wird es, we live in one of the most racial times.

Nächste Woche: Black Gegenwart Wochen, Part II. – Do you remember Malcolm?

P.S.: Joni Mitchell bekundet eine gewisse Nähe zu schwarzen Männern, weil sie selbst “experienced Being A Black Guy On Several Occasions”, wie sie in einem ihrer lustigen Interviews verkündet.

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Playlist

1.  D´Angelo & The Vanguard / The Charade
Black Messiah / Sony
2.  Kendrick Lamar / The Blacker The Berry
The Blacker The Berry / Universal
3.  Kendrick Lamar / I
I / Universal
4.  The Isley Brothers / That Lady
Greatest Hits Vol.1 / CBS
5.  Matana Roberts / Dreamer of Dreams
Coin Coin / Constellation
6.  Matana Roberts / Always say your name
Coin Coin / Constellation
7.  Thee Satisfaction / Recognition
EarthEE / Sub Pop
8.  Thee Satisfaction / Post Black Anyway
EarthEE / Sub Pop
9.  Sun Ra / Rocket No. 9
Rocket No. 9 / CBS
10.  Future Brown / Dangerzone (Ft. Kelela and Ian Isiah)
Future Brown / Warp
11.  Pharrell / Happy
Happy / Universal
12.  Pharrell / Happy
Live At The Grammys / Live At The Grammys
13.  Burundi Black / Burundi Black
Ethno Beats / BCM
14.  Joni Mitchell / Jungle Line
The Hissing Of The Summer Lawns / Asylum